…ist für mich das (IT-)Unwort des Millenniums, gleich gefolgt von Big Data (dick ist das neue schlank, früher wurde jedes Bit gespart) und Green IT (nur weil in jedem Apparat Lüfter propellern, ist kein Öko drin). De-Anonymisierung hat etwas vom venezianischen Karneval, ohne die Guy-Fawkes-Maske, dafür mit dem eigenen Gesicht als Maske davor. Wer sich fragt, wovon ich rede: Die Medien berichten gleich nach Nordkorea über unsere nur unzureichend anonymisierten Datenspuren bei Internetdienstanbietern, Mobilfunkbetreibern und Marketingdaten-Verwertungsagenturen, die anscheinend einfach auf einzelne Personen zurückzuführen sind. Im Klartext: Den homo vitreus, den George Orwell schon „1984“ prognostizierte, gibt es wirklich und zwar als alter ego vom homo sapiens und mit Google Glass kann man es noch sogar scharf stellen. Das ist aber nicht neu, denn das gab es auch schon ohne Stecker (20% Rabatt) vor der Jahrtausendwende, ohne Smartphones und Internet im Auto. Deswegen finde ich die Diskussion wenig hilfreich. „Nichts ist umsonst und im Zweifel wollen sie deine Daten, um dir hintenrum noch mehr anzudrehen“ hat sogar mein Nachwuchs mittlerweile verstanden und wäre eine zwanghafte Gravur auf Elektrogeräten wert. Raucher wissen auch seit der Packungsumstellung, dass sie daran sterben können oder schlimmer: die Haut schneller altern kann.
Ein praktisches Beispiel: Ich habe zu Weihnachten ein neues, schickes aber sehr schlankes Portmonee (newschool) geschenkt bekommen (danke nochmal) und musste mich deswegen von ein ein paar Plastikkarten trennen. Wahrscheinlich muss ich mit dem Restestapel zur Sondermüllverbrennung (oder gelber Sack, kommt aufs gleiche raus), weil die Hausmülltonne sonst so schnell voll wäre, vom Datengau mal ganz abgesehen. Da ist einiges zusammengekommen: Punktekarten von Hotelketten, Fluggesellschaften, Baumärkten, Autoverleihern, Friseuren, Möbelhäusern, Tankstellen und Rabattanbietern. Ich bitte die Aufzählung der Karten Ihres Portmonees im Kommentar zu vervollständigen. Deswegen fand ich die alte Visa Card Werbung, bei der die junge Frau die Kreditkarte unter ihrem Badeanzug an der Strandbar hervorzaubert, so unrealistisch, da im echten Leben 20 andere Karten heraus gepurzelt wären und der Verkäufer sie außerdem nach der ADAC Clubmitgliedschaft gefragt hätte. Die Datenspuren, die man damit hinterlassen hat, sind jedenfalls breiter als eine Glasfaser-Internet-Datenautobahn. Gestört hat das damals niemanden (sonst wäre das auch bei Ede Zimmermann gelaufen). Um den Vergleich zu schließen, muss man sich nur kurz die Icons der 463 Apps auf seinem Smartphone vor Augen führen und welchen Effekt diese haben, nämlich ungefähr den gleichen. Das ist erneut die Stunde der Nerds (nachdem sie früher für Treiberinstallationen geliebt wurden, siehe älterer Blog): „Ich hab doch immer gesagt, dass man damit aufpassen muss, aber auf mich hört ja keiner“. Deswegen habe ich mein Facebook Konto meiner Intimität als Opfergabe dargebracht – xing bleibt erstmal, irgendwo ist die Grenze.
Das Fotos, die mit Smartphones geschossen werden, manchmal geographische Informationen enthalten ist mittlerweile auch egal, da sie sowieso sofort nach dem Knipsen sauber kommentiert auf Facebook, als Twitpic oder Instagram enden. Beim Skifahren am Osterwochenende wurde mir wirklich klar, warum u.a. Kameras jetzt internetfähig sein müssen: An JEDEM Lift und auf JEDER Alm gab es kostenfreies WLAN und es wurde exzessiv genutzt: „Hubsi und Mausi verdrücken einen Riesenteller Kaiserschmarrn auf der Brettl-Alm“ (Ich bin ja eher der Germknödel-Typ). Auch wundert sich niemand mehr über QR-Codes in der Gondel, sondern Omi und Opi zücken ihr Westentaschenzweitgehirn, um der Welt einen Datenkrümel mehr zu geben. Scheiss die Wand an.
P.S.: Mein Rechtschreibgewissen hat gerade Urlaub und deswegen wird jeder zweite Satz vor Fehlern strotzen. Es ist so schwer, gutes Personal zu bekommen.
P.S.S.: Der Blogeintrag enthält schwach ausgeprägte Fäkalsprache und ist deswegen laut FSK nur von Personen ab 16 Jahren zu lesen. Jüngere schauen bitte kurz in das kleine Licht und räumen danach ihr Zimmer auf.
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